„Und als er aus dem Tempel kam, sagte zu ihm einer seiner Jünger: ‚Meister, schau was für Steine und was für Bauwerke!‘” An dieser Stelle des Markusevangeliums – und der Parallelstelle bei Lukas – hat möglicherweise das einzige Stück des damaligen Jerusalem biblische Erwähnung gefunden, das heute noch im öffentlichen Raum zu sehen ist. Wenn Jesus nämlich den Tempelberg über einen der Ausgänge an der Westseite verlassen hat, dann könnten er und jener Jünger die wohlbe hauenen Quader aus feinem Meleke-Kalkstein vor Augen gehabt haben, die heute den „Kotel“ bilden, die sogenannte Klagemauer. Vielleicht kam er auch über die riesige Treppenbrücke an der Südwestecke herunter, einer städtebaulich besonders auffälligen Struktur. Ihr Rest, nach seinem Entdecker im 19. Jahrhundert „Robinsons Bogen” genannt, ist heute nebst anderen Tempeltrümmern im Jerusalemer Archäologischen Park zu sehen. Doch auffällig war eigenlich die ganze Tempelanlage, die Herodes der Große vom Jahr 21 v. Chr. an errichten ließ und die zu Jesu Zeiten noch nicht ganz fertig war. Sie stand auf einer in gewaltigen Einfassungsmauern aufgeschütteten Plattform, eben dem Tempelberg. Herodes hat die Plattform seiner Vorgänger bis auf die doppelte Grundfläche der Akropolis in Athen erweitert. Der Kotel ist ein Abschnitt im Südwesten der herodianischen Stützmauer. Der Gesamtkomplex, bei dessen
Von den in den Evangelien erwähnten Schauplätzen der Verhaftung und der Verurteilung Jesu (siehe „Jesus in Jerusalem”) lassen sich nur zwei zumindest ungefähr lokalisieren: Wenn Jesus vor Herodes Antipas stand, wie Lukas berichtet, muss das im Hasmonäerpalast in der Oberstadt gewesen sein. Dank Flavius Josephus ist dessen Lage in etwa bekannt, auch wenn keinerlei Reste erhalten sind, die sich ihm zweifelsfrei zuordnen lassen. Die entscheidende Szene des Verhörs und der Verurteilung durch den Präfekten Pontius Pilatus hat dagegen wahrscheinlich am ehemaligen Palast Herodes des Großen stattgefunden. Als die mit Abstand luxuriöseste Immobilie der Stadt, die zugleich bestens durch Sicherheitskräfte zu schützen war, hatten die Römer dort ihr Hauptquartier eingerichtet, das Prätorium. Nun ist auch von diesem von Josephus beschriebenen Prunkbau nichts stehengeblieben, abgesehen von dem Sockel eines der drei Türme, wahrscheinlich des Hippikos, in der Nordwestecke des an der Stadtmauer gelegenen Areals. Er ist heute Teil der mittelalterlichen Zitadelle am Jaffa-Tor. Wo aber in dem Palastgelände saß nun Pilatus zu Gericht? Der Evangelist Johannes schreibt, es sei eine gepflasterte Fläche namens Gabbatha gewesen, die aramäische Bezeichnung für einen freien, erhöhten Ort. Wo genau das gewesen sein könnte, dazu hat zumindest ein Jerusalem-Archäologe eine klare Meinung.